Bekämpfung der Corona-Pandemie weltweit anpacken

Hospitalier Chev. Prof. Dr. Gardemann KLJ CMLJ
Bild: FH Münster

GPEU-Hospitalier Chev. Prof. Dr. Gardemann plädiert dafür die Bekämpfung der Corona Pandemie weltweit anzupacken.  

Unser Hospitalier Chevalier Prof. Dr. Joachim Gardemann KLJ CMLJ ist Kinderarzt und leitet das Kompetenzzentrum für Humanitäre Hilfe an der Hochschule in Münster. Für das Rote Kreuz war der 65-Jährige in den vergangenen 25 Jahren auf der ganzen Welt als humanitärer Krisenhelfer im Einsatz.

Herr Prof. Gardemann, wie steht es aktuell um die faire Verteilung von Impfstoffen?
In der Realität sehen wir, dass es schon auf nationaler Ebene Probleme gibt, dass es Menschen gibt, die sich vordrängeln wollen. Berichte über Impfungen der Geschäftsführungen von Kliniken haben die Öffentlichkeit empört. Wenn wir auf der globalen Ebene schauen, dann erkennen wir, dass die Impfstoffverteilung sehr ungerecht ist. Die reichen Länder, die Industrienationen, die den Impfstoff herstellen, haben praktisch sämtlichen Impfstoff für sich allein reklamiert. Als der ehemalige US-amerikanische Präsident vor Monaten sagte, die Impfstoffe bleiben alle in den USA, waren wir entrüstet. Im Grunde genommen machen wir in Europa es gerade nicht anders.

Warum ist eine global gerechte Verteilung von Impfstoffen so wichtig?
Aus zwei Gründen: Zunächst ist es die allgemeine humanitäre Ethik. Ein Grundsatz darin ist die Unparteilichkeit, die Hilfe nach dem Maß der Not allein. Er besagt, dass man zuerst Menschen hilft, die in größter Not sind, ohne dabei Faktoren wie Hautfarbe, Geschlecht, Nationalität und andere zu berücksichtigen. Die Impfstoffe werden aktuell nicht nach diesem Grundsatz verteilt, sondern bleiben da, wo sie produziert werden und wo der meiste Profit zu machen ist.
Der andere ist ein infektionsepidemiologischer Grund. Wir können nur dann sagen, dass wir eine Krankheit wirklich ausgerottet haben, wenn sie in jedem Winkel der Welt ausgerottet ist. Wenn wir in anderen Ländern große Bevölkerungsteile ungeimpft lassen, bleiben dort Reservoirs von Virusträgern, die immer wieder neue Mutationen produzieren können. Diese Mutationen erreichen früher oder später auch die reicheren Länder. Impfstoffe gerecht zu verteilen schützt alle. 
Wenn wir also das Corona-Problem weltweit lösen möchten, müssen wir es auch weltweit anpacken. Da haben wir Erfahrungen mit anderen Krankheiten, beispielsweise mit der Kinderlähmung oder mit den Pocken, die Ende der Siebzigerjahre durch weltweite Impfungen ausgerottet werden konnten.

Wie könnte eine gerechte Verteilung organisiert werden?
Den Patentschutz aufzuheben wäre sicherlich eine Möglichkeit. Sie ist bei einigen Medikamenten beschritten worden, ich denke da zum Beispiel an einige HIV-Medikamente. Andererseits muss erst einmal die gesamte Impflogistik ermöglicht werden. Man muss ja teilweise Impfstoffe bis minus 70 Grad kühlen. In einem Land ohne regelmäßige Stromversorgung ist das fast ausgeschlossen. Impfstoff muss transportiert werden, er muss sicher verimpft werden, dafür muss auch der Nachschub an Kanülen und Spritzen und so weiter sichergestellt sein.
Länder in Not haben schon allein ein riesiges logistisches Problem. Da sind wieder die reicheren Länder gefordert, wie das bei anderen Krisen auch passiert. Die Corona-Pandemie ist eine Katastrophe, so ist auch hier humanitäre Soforthilfe und Aufbauhilfe gefragt. Von UNICEF gibt es bereits schon eine ausgeklügelte Impflogistik und Kühlketten zum Beispiel für Masernimpfungen. Es gibt also durchaus schon vorhandene technologische Möglichkeiten.

Ihr letzter humanitärer Hilfseinsatz für das Rote Kreuz war in einer Ebola-Station in Westafrika. Ebola und Corona unterscheiden sich. Gibt es Lehren, die auch für die aktuelle Lage gelten können?
Wie Corona macht auch Ebola nicht an den nationalen Grenzen halt. Es zeigt sich, dass eine übernationale Kooperation erforderlich ist.
Der Ebola-Einsatz hat auch deutlich gemacht, dass die ärmsten Länder – Sierra Leone, Guinea und Liberia gehören ja zu den allerärmsten Ländern – ein solches Problem in den Griff bekommen können, wenn sie unterstützt werden.