Gedanken zum 7. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Ordensgeschwister, liebe Besucherinnen und Besucher, die Andacht zum 7. Sonntag nach Trinitatis wurde uns von Pfarrer Matthias Braun, evangelischer Stadtjugendpfarrer in Mainz, bereitgestellt. Herzlichen Dank an Pfarrer Matthias Braun für dieses Geschenk.

Ausgetrocknet – Foto: Uwe Augustin



Anmerkung: Diese Andacht wurde uns bereits am 13.07.2021 geschenkt. Seien Sie daher nicht verwundert, dass die aktuelle Situation nach dem Unwetter der letzten Tage nicht thematisiert wurde. (Dirk Augustin, CLJ)

1. Könige 17, 1 – 16 oder: grenzenlos lebensbejahend

Das ist doch eine im wahrsten Sinne des Wortes wundervolle Geschichte.  Wir hören von Elia, einem Mann Gottes, der mit Gott spricht. Er wird von Raben ernährt und hat die Macht eine Handvoll Mehl und ein paar Reste Öl nicht zu Ende gehen zu lassen. Die Geschichte von Elia und der Witwe in Sarepta ist voller Mystik und Zauber. Der 7. Sonntag nach Trinitatis folgt dem Gedanken, dass wir unsere Bedürfnisse ernst nehmen. Gemeint sind damit vor allem Wasser und Brot als Sinnbild dafür, dass wir als Menschen abhängig sind von dem, was die Natur uns zum Leben bereithält. Und ich schließe die Segnungen der Agrarindustrie als Kulturerrungenschaft hier in den Begriff der Natur ein. Insofern passt die Dramatik in der biblischen Geschichte. Die Witwe sagt zu Elia – wir essen das, was uns noch bleibt. Aber es wird uns vor dem Hungertod nicht bewahren. Gott aber verhindert den Tod dieser Frau und auch den Tod seines Propheten.

Was ist nun der Kontext dieser Geschichte? 

Das heutige Israel war in zwei Hälften geteilt. Das Nordreich Israel und das Südreich Juda. König Ahab, König des antiken Nordreichs Israel, soll dem Wettergott Baal huldigen. Damit betet er einen Götzen an. Daraufhin bringt der tatsächlich überlegene Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs das Wetter zum Erliegen. Israel wird mit Dürre und Hungersnot geschlagen –  um Ahab zu erziehen, muss man wohl sagen. Seinen Propheten Elia aber bewahrt er vor Hunger und Durst. Das tut er aber nicht in Israel, sondern im heutigen Libanon. Im antiken Phönizien.

Was nun ist der Gehalt dieser wundersamen Erzählung?

Es wird vor dem Hintergrund gegenwärtiger Hungersnöte, Kriegserfahrungen und Flüchtlingszahlen kaum zu empfehlen sein, in Gottes Namen auf Geduld, Demut und Hoffnung zu pochen. Wem, der hungert, können wir sagen: Gott hat auch Elia, die Witwe und ihren Sohn gesättigt? Wem, der wieder in sein Heimatland verbracht wird, können wir sagen: Versuch es ein anderes Mal erneut, auch Elia hat Schutz im Ausland gefunden?

Ich kann das nicht. Ich kann nicht vor dem Hintergrund des Klimawandels, der Ernteausfällesagen: Gott bringt uns schon durch. Wie vor jedem Gottesdienst habe ich im Internet nach dem Gepräge des Sonntags gesucht und da steht: „Jesu Handeln in unserem Leben macht uns frei von irdischen Bedürfnissen dadurch, dass wir sie immer erfüllt bekommen, indem wir teilhaben am Brot des Lebens.“ Weiter steht da, dass wir erfahren, „wie wunderbar Gott für uns Menschen durch die Gaben seiner Schöpfung sorgt. So können wir auch getrost darauf sehen, dass unser Nächster genug zu essen hat, und von unserem Reichtum abgeben, weil wir wissen, dass der Herr uns speisen wird, wenn wir selbst einmal Not leiden.“

So einfach kann ich nicht glauben. Ich merke: in mir ist dreierlei. Einerseits eine immer wieder ausbrechende Dankbarkeit für das Wunder der Schöpfung. Und gleichzeitig ein tiefes Erfahrungswissen, dass Hungersnöte noch nie durch ein Wunder gelöst wurden. Und das dumpfe Pochen meines Gewissens, gegen den Welthunger irgendwie nicht genug bis nichtszu tun.

Faszinierend finde ich, dass das schon zur Zeit Jesu so gewusst wurde. Also schon vor 2000 Jahren hat niemand mit einer übernatürlichen Mehlvermehrung gerechnet. 

Nein, schon Jesus (Lk 4, 26) legt die Geschichte ethisch als Frohbotschaft für die Bedürftigen aus. Wohl mit dem theologischen Dreh, dass Gottes Zuwendung sich denen ereignet, die offen für seine Hilfe sind. Auch bei einer Ausländerin. Die anderen Männer in der Synagoge sind über diese Deutung heftig in Wut geraten. Gott soll auch für Ausländer da sein? Wir sollen uns mit anderen Ländern tätig solidarisieren? Was für ein furchtbarer Gedanke – die Welt könnte dabei etwas gewinnen.

Ich denke, der Sinn der Eliageschichte erschließt sich für uns nur über Jesus. Die meisten heute Morgen hier werden nicht nur ein bisschen Mehl und etwas Öl in der Vorratskammer haben. Wir sind wohl kaum die Bedürftigen, denen der Gott Jesu sich zuwenden will und muss. Der Sinn liegt da, dass wir jenseits unserer Landesgrenze Hunger stillen sollen. 

Aber mal ehrlich: Welchen Aufruf hätten Sie wohl heute erwartet? Als ich diese Sätze getippt habe, musste ich selbst lachen über mich. Kreativ, Matthias, kreativ, dachte ich. 

Aber in letzter Konsequenz ist eben die christlich-geistliche Handlung, jemandem, der hungert, Essen zu geben. Es ist nicht alleine das Dankgebet. Es ist nicht die fromme Abendmahlsfeier. Es ist die christlichste Handlung, für andere das Überleben zu sichern. Brot für die Welt und Misereor erfüllen für uns diesen Auftrag beständig.

Trotzdem gilt eben auch der Dank in unseren einzelnen Geschichten. Meine Oma war Zuckerkrank und war mit meiner Mutter wandern. Völlig unterzuckert und am Ende ihrer Kräfte kam eine Frau und hat ihr Traubenzucker geschenkt. Wie die Raben Elia ernährt haben. Und für diese Wunder – die andere Zufall nennen würden – dürfen wir zurecht dankbar sein.

Und es bleibt eine Erkenntnis, die ich zähneknirschend annehmen muss. Nämlich: Dass es Hungersnöte gibt und dass wir dagegen nicht genug tun, das gefällt Gott nicht. Insofern rüttelt uns die Geschichte heute Morgen auch schmerzlich wach in unseren sicheren Leben. Und macht besonders deutlich: Wir sind genauso abhängig von dem, was die Erde hergibt wie die, die hungern müssen. Und wie Gottes Geist bei unseren Sonntagsessen dabei ist, ist er auch dort, wo wie bei der Witwe die Töpfe leer bleiben. 

Vielleicht gelingt es irgendwann, den Hunger in der Welt zu stillen. Vielleicht tun wir ganz viel dagegen. Vielleicht auch nicht.

Wichtig ist, dass wir dankbar sind für das Glück, satt zu sein. Dass wir wissen, dass die Wundergeschichte schon bei Jesus ethisch gemeint war. Und dass wir von Gott im Gewissen angesprochen werden, dass es noch Hunger gibt, der nicht sein soll.

Das sind heute die Worte, ich habe keine anderen. Aus der Hoffnung heraus, dass Gottes Nachricht uns dienstbar macht für die Welt und uns nicht einhüllt in unser Glück. Amen.

(Matthias Braun, Stadtjugendpfarrer in Mainz, Sebomenos über Dirk Augustin auf eigenen Wunsch zur Erbauung und Freude der Herzen im Juli 2021).